Mit „Sherlock Holmes und das Geheimnis der Pyramide“ veröffentlicht Franziska Franke ihren mittlerweile siebten Roman um den Meisterdetektiv.
Die studierte Kunsthistorikerin und klassische Archäologin lässt ihr Wissen gekonnt in die Erzählung einfließen und nimmt so den Leser jedes Mal auf eine Reise durch Europa und die Zeit mit.
"Ich versuche gar nicht, der Figur neue Facetten abzugewinnen."
Guten Tag Frau Franke,
früher spürte Sherlock Holmes den Verbrechern Großbritanniens nach. Worin besteht für Sie der Reiz, ihn immer wieder aufs Neue auf Reisen durch Europa zu schicken?
Franke: Für mich besteht der Reiz vor allem darin, einen typischen Engländer des Viktorianischen Zeitalters in den romanischen Ländern, mit ihrem ganz anderen Lebensrhythmus agieren zu lassen. In meinem neuen Buch verschlägt es Holmes sogar in den Orient, eine wirkliche Herausforderung für einen steifen Briten. Sein zeitweiliger Assistent David Tristram, ebenfalls Brite, ist mit einer Italienerin verheiratet und fungiert oft als Brücke zwischen den kulturellen Eigenarten des jeweiligen Landes und der kühlen, rationalen Art von Holmes, derentwegen er oftmals vermitteln muss.
Man könnte meinen, nach den unzähligen Romanen der vergangenen 128 Jahre sei die Figur Holmes „auserzählt“. Entdecken Sie noch neue Facetten an diesem Charakter?
Franke: Ich versuche gar nicht, der Figur neue Facetten abzugewinnen, sondern ich schicke sie in ein neues, ungewohntes Umfeld, in der sich der Charakter besonders deutlich zeigt. Beispielsweise, wenn der ungeduldige Detektiv mit der mittäglichen Siesta im Mittelmeerraum konfrontiert wird.
In „Sherlock Holmes und das Geheimnis der Pyramide“ erkunden Sherlock Holmes und David Tristram Ägypten. Alexandria, Kairo, doch im Speziellen die Pyramiden von Gizeh und Abusir. Was erwartet den Leser bei dieser Reise?
Franke: Der Leser wird einerseits entführt in ein Ägypten mit europäisch geprägten eleganten Stadtteilen, verwinkelten Altstädten und altägyptischen Monumenten. Andererseits trifft man auf verschrobene Archäologen, die miteinander um die besten Grabungsstätten rivalisieren. Engländer, Türken und Beduinen, agieren mit- und gegeneinander, es gibt die für einen Kriminalroman obligatorischen Morde und natürlich den Fluch des Pharao ...
Im Hauptberuf beschäftigen Sie sich mit Kunstgeschichte. Wählen Sie die Handlungsorte nach ihrer kunsthistorischen Attraktivität aus?
Franke: Ich bin Italien-Fan, und als ich las, dass Holmes nach seinem Kampf mit Prof. Moriarty in Florenz untergetaucht sei, hat das natürlich meine Phantasie in Gang gesetzt. Hätte ich gelesen, er sei auf einer Farm in Texas untergetaucht, hätte mich das weit weniger inspiriert. Später folgten andere Schauplätze, die mir plausibel erschienen. So erwähnt Sir Arthur Conan Doyle als letzte Station von Holmes' Exil die Stadt Montpellier im Süden Frankreichs. Von dort aus schickte ich Holmes nach Paris, wo er als Nachkomme der Malerfamilie Vernet Ahnenforschung betrieb. Malta und Ägypten hingegen gehörten zum Britischen Empire. Ich lege meine Schwerpunkte natürlich in Bereiche, in denen ich mich auskenne. Aber ich habe die Handlungsorte nicht vordringlich aus kunsthistorischen Gesichtspunkten ausgewählt, auch wenn alle geschichtsträchtige Stätten sind.
Kennen Sie die Schauplätze? Waren Sie vor Ort zur Recherche?
Franke: Die meisten Schauplätze kenne ich durch zahlreiche Reisen. Aber die literarische Reise führt ja nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Manche Orte – wie Alexandria – haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Ich arbeite beim Schreiben am liebsten mit alten Fotos und Karten. Für meinen aktuellen Roman habe ich außerdem viele Gemälde herangezogen. Es gibt eine "Orientalists" genannte Gruppe von englischen und französischen Malern, die mit ihren großformatigen Bildern das Fernweh der damaligen Zeit befriedigt haben.
Dies ist nun Ihr siebter Band Ihrer Sherlock Holmes-Reihe. Planen Sie schon das nächste Abenteuer für den Meisterdetektiv?
Franke: Wer weiß – als Sherlock Holmes Malta und Ägypten bereist, hat er ja gerade einen Aufenthalt in Tibet hinter sich. Ich bin fest davon überzeugt, dass er davor der englischen Kolonie Indien einen Besuch abgestattet hat. Aber auch auf dem Kontinent wird es sicherlich immer ein Verbrechen geben, das es zu bekämpfen gibt. Schließlich liegen noch einige unausgepackte Kisten auf dem Dachboden der Florentiner Villa Tristram-Boldoni.