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Interview mit Kai Magnus Sting »Die Ausrottung der Nachbarschaft«

Die Idylle des Ruhrgebietes täuscht. In seinem neuen Roman geht Kai Magnus Sting einer ganzen Nachbarschaft an den Kragen. Im Interview spricht der Kabarettist über seinen zweiten Roman.


Ihr zweiter Roman spielt irgendwo im Ruhrpott in der Nachbarschaft Ihrer drei Ermittler. Normalerweise spielen Krimis an düsteren und bedrohlichen Schauplätzen. Was hat Sie dazu bewogen, ihren Krimi an einem eher idyllischen Ort anzusiedeln?
Sting:  Der Krimi spielt an einem idyllischen Ort, um die Fallhöhe größer werden zu lassen. Es stirbt sich doch schöner in einem hübschen Umfeld als in einem dreckigen Hinterhof. Und mittlerweile hat man ja das Gefühl, dass von den Skandinaviern all die dunklen Gassen und Höfe und Keller leergemetzelt worden sind. Da dachte ich mir: Warum nicht mal die ein oder andere Leiche im Gartenteich oder über der Teppichstange. Vor allen Dingen ist einem doch so eine Umgebung viel vertrauter. Das kennt man, das mag man. Und jeder hat und kennt Nachbarn, die einen nerven und die man in der Phantasie schon das ein oder andere Mal die Kellertreppe runtergeschubst hat. Und wenn die mal weggemordet werden... Das hat doch eine Perspektive. Aber um eines klarzustellen: Solche Phantasien habe ich natürlich nicht. Aber ich habe viele Gespräche geführt, als ich mit dem Schreiben begonnen habe. Und was man da manchmal hört... Es ist unglaublich. Und darüber habe ich geschrieben.


Mit liebevoller Boshaftigkeit löschen Sie fast eine ganze Nachbarschaft aus. Auf dem Cover sieht man entsprechend viele Leichen von Gartenzwergen. Alle auf unterschiedliche Art und Weise gemeuchelt. Wo haben Sie die Ideen für die vielen verschiedenen Mordmethoden gesammelt?
Sting: Die Mordideen stellen sich mit der Zeit einfach ein. Da hat man genug gesehen und genug erlebt, da kann man sich irgendwann so einiges vorstellen. Aber im Ernst: Ich mag schwarzen Humor, ich hab's gern makaber, aber auch witzig, mag abstruse Bilder, verrückte Mordmethoden. Man käme ja im Leben nicht auf die Idee, jemanden im Teich zu ertränken. Und selbst wenn man auf die Idee käme, man hätte die Zeit dafür ja gar nicht. Aber wenn ich jemanden - rein literarisch natürlich nur! - im Gartenteich ersäufe und das so schreibe, dass man beim Lesen drüber schmunzeln kann, dann habe ich da eine sehr große Freude dran. Und wir wollen ja eines nicht vergessen: Das hört sich alles schlimmer an, als es ist. Eigentlich ist das eine sehr witzige und spannende Geschichte.  


Ihre Romane sind geprägt vom Wesen des Ruhrgebietes. Gerne lassen Sie sprachliche Eigenheiten einfließen. Was reizt Sie an dieser Mentalität und der Sprache?
Sting: Ich mag das Ruhrgebiet sehr; was natürlich auch daran liegen mag, dass ich hier geboren wurde und immer noch lebe. Das ist meine Heimat. Und diese Heimat setzt sich zusammen aus der Landschaft, den Menschen und ihrer Sprache. Und die Sprache ist so wie die Menschen hier: im allerbesten Sinne einfach, geradeheraus, ehrlich, auf den Punkt und sehr pointiert. Wo mache Regionen und Menschen ganze mehrseitigen Abhandlungen brauchen, das schaffen wir in einem Halbsatz und alles ist klar. All das mit einer großen Herzlichkeit und Offenheit. Das reizt mich ungemein. Es heißt doch auch: Man kann nur über das schreiben, was man kennt. Und das Ruhrgebiet und seine Menschen kenne ich sehr gut und ich liebe es sehr. Und diese Typen in meinen Kriminalromanen vorkommen zu lassen, das ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass ich über diese Menschen, die ich so gut kenne, am besten schreiben kann, es ist gleichzeitig aber auch keine Verbeugung vor meiner Heimat.  


Beruflich sind Sie auch Kabarettist und schreiben Hörspiele. Auch Ihr neuer Roman erschien zuerst als Hörspiel. Mussten Sie viele Änderungen vornehmen, um die Geschichte in die neue Form zu bringen?
Sting: Es wurden einige Änderungen gemacht: die Reihenfolge mancher Szenen und Kapitel wurde umgestellt, es sind einige Figuren noch dazugekommen, was dazu geführt hat, dass auch wieder mehr Personen umgebracht werden konnten, aber eben auch noch andere Geschichten erzählt werden können. Das alles unterscheidet eben diesen Kriminalroman vom Hörspiel, macht das Ganze noch komplexer und größer. Ich finde beide Erzählformen sehr spannend: sowohl die kurze, knappe Form des Hörspiels als auch das komplexere des Romans. Beides hat seinen Reiz und seinen Sinn: Hörspiel ist eher was für die Autofahrt, da würde ein Buch nur stören. Dafür macht das Buch im Strandkorb oder auf dem Balkon mehr Spaß.  


Ihr Beruf als Kabarettist kommt Ihnen in Ihren Lesungen zu gute. Darf man annehmen, dass es bei Ihnen keine 08/15 Lesungen gibt?
Sting:  Wenn jemand die Bücher eines Autors so sehr schätzt, dass er einmal diesen Autor persönlich treffen und ihm zuhören will, dann halte ich eine Lesung für sehr sinnvoll. Für mich als Lesenden stellt sich aber immer die Frage: Möchte ich als Hörer die ersten zwanzig, dreißig Seiten eines Romans vorgelesen und dann noch mitbekommen, wie andere dem Autoren Fragen stellen, die einen auch nicht wirklich weiterbringen? Möchte ich nicht wirklich. Und als Autor und in erster Linie Bühnenmensch möchte ich das Publikum unterhalten. Und da ich ja eigentlich Kabarett mache, erzähle ich sehr viel zwischen den Kapiteln. Also sowohl über die Entstehung des Romans, als auch über die Typen, über die ich geschrieben habe, aber auch, wie ich auf all das gekommen bin. Und die ein oder andere kabarettistische Geschichte fließt auch immer wieder in eine Lesung mit ein. Also wer eine klassische Krimilesung erwartet, der irrt sich. Es ist eine Ein-Mann-Bühnen-Lese-Show und macht mir und dem Publikum immer sehr großen Spaß.



 

 


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