Das „Land der Frühaufsteher“ als MORDLANDSCHAFT - Herausgeber Peter Godazgar sagt warum.
Herr Godazgar, zur Leipziger Buchmesse erscheint die Kurzkrimisammlung „Ruhe sanft in Sachsen-Anhalt“, die Sie in der Reihe MORDLANDSCHAFTEN im KBV herausgeben werden. Über die Recherchen der Autoren vor Ort, ob in Dessau, Eisleben oder Wittenberg wurde ausführlich in der Mitteldeutschen Zeitung berichtet. Wie haben die Leser darauf reagiert?
Godazgar: Natürlich mit Angst und Entsetzen! Ihnen wurde schlagartig klar, in welch gefährlichen Gefilden sie leben! Jahrelang dachten sie, ein ganz normales Bundesland mit etwas langweiligem Ruf zu bewohnen und nun das! Entsprechend haben in den vergangenen Wochen bereits so viele Sachsen-Anhalter Ausreiseanträge gestellt, wie seit 1988 nicht mehr. Nein, im Ernst: Ich denke, der gemeine Sachsen-Anhalter ist gespannt auf das, was sich 22 Krimiautoren so ausgedacht haben. Würde es mich nicht an irgendwas erinnern, würde ich glatt behaupten: Die Kriminalgeschichte Sachsen-Anhalts wird umgeschrieben werden müssen!
Nach welchen Kriterien haben Sie die Handlungsorte ausgesucht? Abgesehen davon, dass zum Beispiel der Wörlitzer Schlosspark, die Altstadt von Quedlinburg oder der Mersebuger Dom auch ausgesprochen beliebte Reiseziele sind?
Godazgar: Die Tatort-Suche habe ich größtenteils den Autorenkollegen selbst überlassen. Ich habe eigentlich nur eine Liste mit möglichen Orten verteilt – quasi als Quelle der Inspiration. Hat dann auch funktioniert: Die meisten Autoren sind schnell fündig geworden, zum Beispiel, weil sie doch irgendeine Beziehung zum jeweiligen Ort hatten. Oder auch, weil er sie einfach interessiert hat. Das ist ja eines der Grundprobleme Sachsen-Anhalts: dass es maßlos unterschätzt wird. Orte wie Quedlinburg oder der Wörlitzer Park sind aber einfach nur großartig. Auch Halles schlechter Ruf hat rein gar nichts mehr mit der Realität zu tun. Selbst in Bitterfeld gibt es manches zu entdecken – zum Beispiel, wie aus einer geschundenen Landschaft ein Naherholungsgebiet wird. Ziemlich lange vakant waren Dessau und Wittenberg, was mich gewundert hat. Es wäre schade gewesen, wenn sich da niemand gefunden hätte.
Einige Autoren kamen zum ersten Mal überhaupt ins „Land der Frühaufsteher“. Welche Gemeinsamkeiten haben Sie bei den recherchierenden Kollegen – sie selbst sind ja auch einer der 22 Autoren, die einen Kurzkrimi beisteuern - festgestellt? Hat ein Rheinländer wie Guido M. Breuer, die „Donna Leon des Eifel-Krimis“, wie Sie meinen, da nicht gefremdelt?
Godazgar: „Donna Leon der Eifel“ – gut, was? Ja, das Etikett habe ich ihm angepappt, das hat er nun für alle Tage. Sonst war es mit dem Herrn Breuer natürlich etwas schwierig: Ich musste ihn davon abhalten, den Einwohnern der Lutherstadt Wittenberg Erdnüsse zuzuwerfen. Aber Spaß beiseite: Unsere Gemeinsamkeit ist vermutlich die Neugier auf Neues. Und nicht wenige sind mit erstaunt hochgezogenen Augenbrauen durch ihre Tatorte gewandert. Da hat sich wohl so manches Klischee in Staub aufgelöst. Nicht der schlechteste Nebeneffekt.
Welche „Lücken“ auf der deutschen Regionalkrimi-Karte sind nun durch die kommende Veröffentlichung von „Ruhe sanft in Sachsen-Anhalt“ in der Reihe MORDLANDSCHAFTEN beim KBV geschlossen?
Godazgar: Im Prinzip ist das komplette Bundesland Sachsen-Anhalt abgedeckt. Wobei ich sagen muss, dass mir durchaus noch ein paar schöne Orte einfallen würden. Wir haben noch viele Burgen, von denen man stürzen kann und viele Flüsse, in denen man ertrinken kann. Es gäbe also durchaus noch Stoff für einen zweiten Teil. Und auf welche Art von literarischem Mord & Totschlag in Ihrer Herausgeberschaft kann sich der geneigte Leser zur Leipziger Buchmesse besonders freuen? Godazgar: Wie sagte schon Daniela Katzenberger: „Jeder Mord hat seine eigenen Reize“. Oder war es Ingrid Noll? Ich werde also den Teufel tun und irgendeine Geschichte hervorheben. Höchstens meine eigene: Die spielt in Köthen, wo einst Samuel Hahnemann lebte, der Erfinder der Homöopathie, Sie wissen schon: Kügelchen statt Tabletten. In der Story geht es um einen Einbrecher, der im falschen Moment einen Hexenschuss bekommt. Ich darf verraten: Homöopathie-Fans müssen ganz tapfer sein.